CAPA - Brot für die Welt

Auf dem Bauernhof
Nilo und die Öko-Revolution
Von einem Bauern, der sich eines Besseren besann

Kraftvoll zieht sich Nilo Schiavon am Stamm des Pfirsichbaums hoch. Nachdem er einen sicheren Stand gefunden hat, pflückt er mit seinen großen, schwieligen Händen Stück für Stück die samtweichen Früchte und reicht sie seiner Frau Marcia, die unter ihm mit einem großen Weidenkorb wartet. Es ist ein strahlender Frühlingstag, und mit ihren roten Bäckchen leuchten die Pfirsiche verführerisch. Sobald der Korb voll ist, kommt Tochter Luana (26) an die Reihe. Sie hat sich ein schattiges Plätzchen unter den Bäumen gesucht und legt dort rechteckige Plastikkörbe mit großen Ñame-Blättern aus, die sie frisch vom Feldrand pflückt. Darauf drapiert sie die Pfirsiche dann in liebevoller Handarbeit, Schicht für Schicht. „Die Blätter halten die Pfirsiche schön frisch und schützen sie während des Transports vor Stößen“, erklärt Luana. Öko-Verpackung „made by Schiavon“. Hübsch anzuschauen ist sie auch noch. Das Auge der Kunden isst mit, haben die Schiavons gelernt.

Schuften für die Fabrik

Wie Capa das Leben von Bauer Nilo Schiavon veränderte.

Als junger Mann, frisch verheiratet, machte Nilo Schiavon noch das, was alle Bauern in der Gegend taten: Er baute Tabak an und Pfirsiche für die Konservenfabrik. Doch es war mühsame Arbeit, viel Geld ging für Dünge- und Spritzmittel drauf, und nur einmal im Jahr zur Erntezeit gab es Geld.

„Wir kamen auf keinen grünen Zweig und waren von den Fabriken abhängig. Sie entschieden, ob unsere Pfirsiche gut genug waren und was sie uns dafür bezahlten“, erzählt er.




Neustart als Bio-Bauer

Bauer Nilo Schiavon arbeite gerne auf seinem Bio-Hof. Mit dem Trecker holt er die Ernte ein.
Bio-Bauer Nilo Schiavon erklärt, wie die Partnerorganisation von Brot für die Welt den Bauern hilft

Alle seine Brüder gingen frustriert in die Stadt, doch Nilo liebte das Land zu sehr. Er tat alles, um den elterlichen Hof zu behalten. „Ich habe jede Menge Pflanzengifte gespritzt – bis ich krank wurde und ins Krankenhaus musste. Da hat es Klick gemacht hat und ich wusste, dass ich etwas verändern musste.“

Nilo wagte etwas Neues und stellte auf organischen Anbau um. Unterstützung erhielt er dabei von der von Brot für die Welt unterstützten Bauernorganisation CAPA. Sie half auch bei der Gründung der Kooperative Arpa-Sul, deren Gründungsmitglied und Präsident Schiavon ist. Besonders bei den vielen administrativen Schritten stand CAPA den Mitgliedern zur Seite. Sonst hätten die Bauern, von denen die meisten nur die Grundschule absolviert haben, im brasilianischen Behördendickicht wohl rasch aufgegeben.

Einfach war der Neuanfang trotzdem nicht. Manch einer verlor die Geduld, doch Schiavon blieb bei der Stange. „Viele sehen nicht weiter als bis zur Türschwelle und wollen nichts Neues ausprobieren“, hat der 52-Jährige festgestellt. Bei Schiavon hingegen setzte CAPA den Pioniergeist frei. Nach und nach fügten sich die Dinge. Über die Kooperative gab es Kredit für den Bau einer kleinen Fabrik, in der die Familie nun Marmeladen und Säfte herstellt. Die staatliche Agrarforschungsbehörde Embrapa finanzierte Bio-Toiletten für die Düngerherstellung und eine Wiederaufbereitungsanlage für Abwasser, das in der Trockenzeit zur Bewässerung dient.

Produzieren für den lokalen Markt

Nilo Schiavon pflanzt seine Produkte nach einem speziellen Plan an. Das Konzept hat sich mit den Jahren bewährt.

Damit wurde die Produktion auf dem knapp zehn Hektar großen Hof gesteigert – doch wohin mit dem vielen Obst und Gemüse? „Auf den Markt“, lächelt Schiavon, der seit 20 Jahren viermal die Woche mitten in der Nacht aufsteht, den Ford-Laster Baujahr 1953 belädt und über holprige Feldwege in die nächstgelegenen Städte fährt, nach Pelotas und Canguçu. Ein Teil der Ernte wird auch über die Kooperative verkauft, zum Beispiel an die Stadtverwaltung und die staatliche Universität, die mit Bio-Lebensmitteln aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft die Schulspeisung und die Universitätskantine betreiben. 30 Prozent der Lebensmittel für die Schulspeisung müssen laut Gesetz aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft stammen. Dieses Gesetz war Teil des heute weltweit kopierten „Null-Hunger“-Programms der ersten Regierung unter Expräsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva – und ging auf die Initiative von CAPA zurück.

„Es schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen dynamisierte es die lokale Landwirtschaft, zum anderen versorgte es die städtische Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln“, sagt der Landwirtschafts-Dezernent der Stadt Canguçu, Cleider da Cunha. Sowohl Canguçu als auch die Universität haben den Anteil von organischen, kleinbäuerlichen Produkten deutlich erhöht.

Eine Zukunft auf dem Land

Die ganze Familie Schiavon arbeitet auf dem Bio-Betrieb mit.

Über die Jahre ist Nilo Schiavon zu einem Experten für ökologischen Landbau geworden. Stundenlang kann er zwischen Zwiebeln, Ananas, Brokkoli und Möhren erzählen, welche Aufgabe jede Pflanze und jeder Baum hat. Zwar hat der älteste von sechs Geschwistern nur die Grundschule besucht, aber seit er die Bio-Landwirtschaft entdeckt hat, nimmt er die Weiterbildungsangebote von CAPA gerne an. Der Flur in seinem gemütlichen Bauernhaus oben auf dem Hügel mit Blick über Weinberge, Pfirsichplantagen und den Fischteich ist gepflastert mit seinen Diplomen.

Vor einigen Monaten ist Tochter Luana, die als Lehrerin in der Stadt arbeitete, zurückgekehrt. „Früher wollte ich weg von zu Hause, aber jetzt habe ich gemerkt, dass es mir auf dem Land besser gefällt als in der Stadt und dass die Bio-Landwirtschaft Zukunft hat“, sagt die 26-Jährige. Auch sie hat eigene Ideen, ganz wie der Vater. So flicht sie Kränze aus Pfirsichblüten, die auf dem Markt reißenden Absatz finden. Jetzt denkt sie darüber nach, den Betrieb um Ökotourismus zu erweitern.




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